Dienstvereinbarung "Sucht"

Dienstvereinbarung zur Prävention und Intervention bei auffälligem Verhalten durch Suchtmittelgebrauch
der Universität Greifswald 
(DV-Sucht)
 

Zwischen der Universität Greifswald, vertreten durch die Rektorin, 
diese vertreten durch die Kanzlerin

und dem

Gesamtpersonalrat der Universität Greifswald, 
vertreten durch den Vorsitzenden,

wird nach § 66 in Verbindung mit § 69 Nr. 7 und § 70 Abs. 1 Nr. 8 des Personalvertretungsgesetzes M-V folgende Dienstvereinbarung abgeschlossen:

Präambel

Suchtmittelgebrauchsstörungen haben sich zu schwerwiegenden Begleiterscheinungen der Gesellschaft und damit auch des Arbeitslebens entwickelt. Daraus erwächst für die Universität Greifswald die Aufgabe, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen.

Suchtmittelmittelgebrauchsstörungen haben viele Erscheinungsformen, prägen das weitere Leben des*der Kranken nachhaltig und können als chronische Erkrankung in besonders schweren Fällen tödlich verlaufen, wenn sie nicht behandelt werden. Die Abhängigkeit von Suchtmitteln beeinträchtigt in erheblichem Maße das Denk- und Urteilsvermögen sowie die Leistungsfähigkeit Betroffener. Sie schränkt die freie Entfaltung der Persönlichkeit ein, zerstört soziale Bindungen, beeinträchtigt das Betriebsklima und kann schließlich die eigene Existenz gefährden. 

Bei fachgerechter Behandlung kann sie positiv beeinflusst und in ihren Auswirkungen vermindert werden. Die Erfolgsaussichten sind umso größer, je früher Hilfe in Anspruch genommen wird.

Insbesondere Vorgesetzte sollten solche Probleme frühzeitig erkennen und offen ansprechen. Sie müssen auf der Grundlage gesetzlicher Bestimmungen adäquate Forderungen nach einer Verhaltensänderung der Betroffenen stellen und deren Verlauf überwachen. Dazu gibt diese Dienstvereinbarung einen Handlungsrahmen.

§ 1 Geltungsbereich

Die folgende Vereinbarung gilt für alle Beschäftigten1 mit einer arbeits- und dienstrechtlichen Verpflichtung an der Universität Greifswald.

§ 2 Ziel der Dienstvereinbarung

  1. Die Universität nimmt mit dieser Vereinbarung ihre Verantwortung als Dienststelle wahr.

  2. Das sofortige Handeln beim Erkennen von akuten oder diffusen Auffälligkeiten durch Suchtmittel am Arbeitsplatz sowie die Hilfe für Abhängigkeitsgefährdete und Abhängigkeitskranke stellen eine wichtige Aufgabe der Personalführung dar.

  3. Mit der Dienstvereinbarung beabsichtigt die Universität:

  • Aufklärungs- und Schulungsveranstaltungen für Beschäftigte, insbesondere Führungskräfte, durchzuführen, um so zum verantwortungsvollen Umgang mit Suchtmitteln beizutragen und einer Entstehung von Suchtverhalten vorzubeugen,

  • eine Suchtproblematik bereits anzusprechen, bevor arbeits- und dienstrechtliche Verfahren eingeleitet werden müssen,

  • den Betroffenen zu helfen, die Erkrankung bzw. Erkrankungsgefahr selbst zu erkennen und die Therapieangebote anzunehmen, damit arbeits- oder dienstrechtliche Konsequenzen vermieden werden können,

  • die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Arbeits-/Dienstfähigkeit zu sichern,

  • dem Wegsehen und Bagatellisieren durch das Umfeld ("Co-Verhalten") entgegenzuwirken,

  • das Problembewusstsein aller Beschäftigten in Bezug auf Suchmittelmissbrauch und Suchterkrankungen zu steigern,

  • den Führungskräften ein frühzeitiges Erkennen und richtiges Reagieren zu ermöglichen und ihnen einen verbindlichen und transparenten Handlungsrahmen an die Hand zu geben.

§ 3 Suchtmittel im Dienstgebrauch

Die Beschäftigten der Universität Greifswald dürfen sich nicht durch den Gebrauch von Suchtmitteln in den Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können.

§ 4 Ansprechpersonen und Beratung

  1. Alle Beschäftigten der Universität haben das Recht, unter Berücksichtigung der obliegenden Arbeits- und Dienstaufgaben während der Arbeitszeit bei den genannten Ansprechpartner*innen Informationen zu Möglichkeiten der Beratung einzuholen. Ansprechpartner*innen für Beschäftigte innerhalb der Universität sind:
    - der*die Kollegiale Berater*in und seine*ihre Stellvertretung,
    - das betriebsärztliche Personal,
    - der*die Leiter*in des Personalreferates als Vertreter*in der Universität oder eine bestimmte Stellvertretung,
    - die Mitglieder der Personalräte,
    - die Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung,
    - die Gleichstellungsbeauftragte,
    - die Fachkraft für Arbeitssicherheit.
  2. Alle Ansprechpartner*innen unterliegen der Schweigepflicht.

§ 5 Zuständigkeit der Vorgesetzten

Den unmittelbaren Vorgesetzten kommt eine zentrale Rolle in der Suchtprävention zu. Sie tragen sowohl die Verantwortung für den Arbeitsschutz als auch für eine sachgerechte Intervention bei suchtmittelbedingten Auffälligkeiten. Sie unterstützen auffällig gewordene Beschäftigte auf dem Weg zur Veränderung bei der Übernahme von Eigenverantwortung sowie der Annahme fachgerechter Hilfe. Sie führen gegebenenfalls nach vorheriger Beratung mit Ansprechpartner*innen aus § 4 Gespräche nach dem Interventionsplan (Anlage) und beteiligen die dort vorgesehenen Personen.

§ 6 Kollegiale Beratung in der betrieblichen Suchtprävention

  1. Die Bestellung in das Nebenamt des Kollegialen Beraters*der Kollegialen Beraterin und der Stellvertretung beruht auf Eignung, Freiwilligkeit und Interesse und erfolgt durch die Dienststelle im Einvernehmen mit dem Personalrat. Die Funktion des Kollegialen Beraters*der kollegialen Beraterin und der Stellvertretung ist geschlechterdivers zu besetzen.

  2. Der*Die Kollegiale Berater*in und die Stellvertretung sind gehalten, sich regelmäßig auf dem Gebiet der Suchthilfe fortzubilden. Die anfallenden Kosten trägt die Universität.

  3. Für die Dauer der Aus- und Fortbildung in der Suchtprävention und -hilfe sowie die Beratungstätigkeit werden der*die Kollegiale Berater*in und die Stellvertretung in Abwägung der ihm*ihr obliegenden Arbeits- bzw. Dienstaufgaben von seiner*ihrer dienstlichen Tätigkeit freigestellt.

Aufgaben des Kollegialen Beraters*der Kollegialen Beraterin sind:

  • Beratung und Unterstützung von Beschäftigten und der Dienststelle in allen Fragen der Suchtprävention und bei Abhängigkeitserkrankungen,

  • Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen,

  • Kooperation und Koordination mit psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstellen in der umliegenden Region,

  • Teilnahme an Gesprächen im Rahmen des Interventionsplanes

Der*Die Kollegiale Berater*in gibt die Aufgaben an die Stellvertretung ab, wenn er*sie gleichzeitig eine*n Betroffene*n und andere Mitglieder der Universität in der gleichen Angelegenheit beraten soll, es sei denn, der*die Betroffene stimmt der Aufgabenwahrnehmung zu. 

§ 7 Vorgehen bei Verdacht auf Suchtmittelmissbrauch

  1. Liegt auffälliges Verhalten bei Beschäftigten im Zusammenhang mit Suchtmittelgebrauch während der Arbeitszeit am Arbeitsplatz vor, sind die Vorgesetzten, aber auch alle beteiligten Kolleg*innen angehalten, die Betroffenen auf ihr Verhalten anzusprechen und auf Hilfsmöglichkeiten (Anlage 3) hinzuweisen. Der*Die Vorgesetzte ist verpflichtet nach einem entsprechenden Klärungsgespräch, gemäß dem Interventionsplan (Anlage 1) vorzugehen.

  2. Ziel des Interventionsplanes soll sein, die Betroffenen in einem abgestuften Konzept zu motivieren, ihr Verhalten zu verändern und damit ihre Arbeitsfähigkeit sowie ihren Arbeitsplatz zu erhalten.

  3. Kommt es aufgrund der Umsetzung des Interventionsplans lediglich zu einer vorübergehenden Änderung des Verhaltens der betroffenen Person, so wird dieser an der Stelle fortgesetzt, an der er unterbrochen wurde.

  4. Nach Ablauf der in § 10 genannten Frist zur Vernichtung von Unterlagen ist bei einer erneuten Auffälligkeit das Verfahren nach dieser Dienstvereinbarung erneut durchzuführen. 

§ 8 Vorgehen bei Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bei Verdacht auf Suchtmittelgebrauch

  1. Beschäftigte, die erkennbar aufgrund eines Suchtmittelgebrauchs nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, dürfen mit dieser Arbeit nicht betraut werden. Der*Die Vorgesetzte oder die Stellvertretung ist in diesen Fällen verpflichtet einzugreifen. In diesem Fall muss der*die Vorgesetzte oder die Stellvertretung die Annahme der Arbeitsleistung ablehnen und je nach Situation die betroffene Person nach Hause begleiten oder die Notfallambulanz einschalten. 

  2. Anfallende Kosten für den Heimtransport übernimmt zunächst die Dienststelle. Die betroffene Person wird in Regress genommen. Für die ausgefallene Arbeitszeit besteht kein Anspruch auf Bezüge bzw. Entgelt.

  3. Der*Die Vorgesetzte oder die Stellvertretung fertigt einen Vermerk über den Vorfall an und lässt ihn auf dem Dienstweg in einem fest verschlossenen Umschlag dem Referat Personal, zur Aktenaufnahme gemäß § 10, in Kopie dem Beschäftigten, zukommen. 

  4. Für die Beschäftigten besteht die Möglichkeit, durch den Betriebsärztlichen Dienst oder durch den Hausarzt*die Hausärztin den Verdacht eines Suchtmittelgebrauches auszuräumen.

§ 9 Wiedereingliederung am Arbeitsplatz

  1. Gegen Ende einer stationären oder ambulanten Therapie besteht die Möglichkeit an einem Verfahren nach dem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) gemäß der Dienstvereinbarung BEM bzw. an einer stufenweisen Wiedereingliederung (Hamburger Model) teilzunehmen. Der*die Vorgesetzte ist verpflichtet, ggf. unter Hinzuziehung weiterer Ansprechpersonen (Personalrat, Kollegiale Beratung, Vertrauensperson der*des Beschäftigten), ein Rückkehrgespräch (Leitfaden Anlage 4) anzubieten.

  2. Ein Folgegespräch soll vier Wochen nach erfolgter Arbeitsaufnahme durchgeführt werden. (Leitfaden Anlage 4)

§ 10 Aufbewahrung von Unterlagen, Datenschutz

Sämtliche die Personalsache betreffenden mündlichen und schriftlichen Angelegenheiten unterliegen der strengen Vertraulichkeit. Die schriftlichen Unterlagen, die nach dieser Vereinbarung entstehen, unterliegen nicht der allgemeinen Akteneinsicht, sondern werden als vertrauliche Personalsache gekennzeichnet und analog der Regelung für Gesundheitszeugnisse verwahrt. Unabhängig davon werden Abmahnungen aufgrund Suchtmittelmissbrauchs unter den arbeitsrechtlichen Voraussetzungen nach angemessener Frist, grundsätzlich nach drei Jahren, aus der Personalakte entfernt. Für die Tilgung von Disziplinardaten gilt § 18 Landesdisziplinargesetz. Die Weitergabe gesundheitsbezogener Daten an Dritte ist untersagt.

§ 11 Kündigungsklausel

Die Bedingungen für die Kündigung dieser Dienstvereinbarung richten sich nach § 66 des Personalvertretungsgesetzes M-V. Die Nachwirkung wird ausgeschlossen. 

§ 12 Salvatorische Klausel

Sollten sich einzelne Regelungen dieser Dienstvereinbarung als unwirksam erweisen, wird dadurch die Wirksamkeit der übrigen Regelungen nicht berührt. Anstelle der unwirksamen Regelung ist eine neue wirksame Regelung zu setzen, welche dem Sinn und Zweck der ursprünglichen, unwirksamen Regelung möglichst nahekommt. Die vorstehenden Bestimmungen gelten entsprechend für den Fall, dass sich diese Dienstvereinbarung als lückenhaft erweist.

§ 13 Inkrafttreten

Diese Dienstvereinbarung tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft. Sie wird allen Beschäftigten in geeigneter Weise bekannt gemacht. Gleichzeitig tritt die Dienstvereinbarung vom 05.04.2017 außer Kraft. 

Greifswald, den 10.03.2025

Dr. Juliane Huwe (Kanzlerin)

Dr. Jörg Driesner (Vorsitzender des Gesamtpersonalrates)


1 Der Begriff Beschäftigte umfasst die Hilfskräfte, Tarifbeschäftigten und verbeamtete Personen gleichermaßen.