„Kein Schlussstrich!“ Das war und ist die Forderung vieler Stimmen aus der Nebenklage nach dem Urteil des NSU-Prozesses. Zu wenig wurde aufgeklärt, zu viel politisch versprochen. Wie aber beobachtet und beschreibt man einen Prozess, um dessen Grenzen nachhaltig gestritten wird, der viele Jahre dauert und trotz eines Urteils kaum als beendet gelten kann? Kathrin Röggla schreibt einen Roman, wählt aber nicht die Vergangenheitsform, berichtet nicht von einem abgeschlossenen Fall, sondern führt vor Augen, wie ein „Laufendes Verfahren“, in dem sich „so vieles wiederholen wird“, nicht nur die Zeitverhältnisse irritiert. Dafür nimmt sie die unprofessionelle Perspektive eines „Wir“ ein, das oben auf den Zuschauerrängen sitzt, sich erst durch den Prozess, das laufende Verfahren, konstituiert und zugleich wiederholt in Frage gestellt wird.
Kathrin Röggla, geboren 1971 in Salzburg, arbeitet als Prosa- und Theaterautorin und entwickelt Radiostücke. Für ihre literarischen Arbeiten wurde sie mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Wortmeldungen-Literaturpreis und dem Heinrich-Böll-Preis. Sie veröffentlichte unter anderem die Prosabücher „Abrauschen“, „really ground zero“, „wir schlafen nicht“, „die alarmbereiten“ und „Nachtsendung. Unheimliche Geschichten“. Kathrin Röggla ist seit 2015 Vize-Präsidentin der Akademie der Künste in Berlin und seit 2020 Professorin für Literarisches Schreiben an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Ihr Roman „Laufendes Verfahren“ stand auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2023.
Podium: Professorin Dr. Ingvild Folkvord, Professor Dr. Eckhard Schumacher