Parasitische Plattwespe sticht Käferlarve … vor 100 Millionen Jahren

Eingeschlossen in einem 100 Millionen Jahre alten Bernstein-Stück ist eine Plattwespe, die gerade in eine Käferlarve sticht. © Christine Kiesmüller
Eingeschlossen in einem 100 Millionen Jahre alten Bernstein-Stück ist eine Plattwespe, die gerade in eine Käferlarve sticht. © Christine Kiesmüller
Wespe im Bernstein, © Christine Kiesmüller
Wespe im Bernstein, © Christine Kiesmüller

Viele Menschen nehmen Wespen in erster Linie als Plagegeister wahr, die schmerzhaft stechen können und lästig sind. Allerdings leben die meisten Wespenarten fernab von Menschen und sind zudem parasitisch. Parasitismus ist eine schädliche Form der Symbiose, es besteht also eine Abhängigkeit zwischen dem Parasiten und seinem Wirt. Viele Parasiten können ohne ihren Wirt nicht überleben, da der Wirt ihre Nahrungsgrundlage darstellt.

Das ca. 100 Millionen Jahre alte Stück Bernstein, das im Zentrum dieser Studie steht, wurde von Patrick Müller, einem privaten Bernstein-Sammler, gefunden. Der Bernstein kommt aus Myanmar in Südostasien, wo er vor ca. 100 Millionen Jahren ein Harztropfen war, der über die Zeit zu Bernstein versteinerte. Das Stück Bernstein wurde mithilfe von Makrophotographie und eines Mikro-Computertomographen von Christine Kiesmüller, Marie K. Hörnig (beide Universität Greifswald) und Joachim T. Haug (LMU München) dokumentiert. Der Bernstein enthält eine Plattwespe, die eine Käferlarve umklammert hält und mit ihrem Giftstachel in diese hineinsticht. Diese Art der direkten Interaktion ist sehr selten im Fossilbefund zu finden, da besondere Verhältnisse herrschen müssen, dass die Tiere so zusammen in einer Interaktion sozusagen „eingefroren“ erhalten bleiben.

Plattwespen leben heutzutage als Larve parasitisch auf Käferlarven und Raupen, also Schmetterlingslarven, und ernähren sich von deren Körperflüssigkeiten. Das Muttertier dieser parasitischen Wespenlarven sucht nach einer geeigneten Insektenlarve als Wirt und sticht diese dann mit ihrem Giftstachel, sodass die Larve zunächst betäubt wird, und legt anschließend ihre Eier auf der Larve ab. Es ist wichtig, dass die betäubte Larve noch lebt, damit die Wespenlarven sich gut und vor allem lange von dieser ernähren können. An die Wirtsinsektenlarve geheftet entwickeln sich die Wespenlarven weiter und verpuppen sich am Ende der Larvenphase. Aus den Puppen entwickeln sich die erwachsenen Wespen, die dann die meist komplett verzehrte Insektenlarve endgültig töten. Das Stück Bernstein, in dem die Plattwespe mit ihrem Giftstachel in die Käferlarve hineinsticht und diese umklammert hält, zeigt, dass das Wirt-betäubende Verhalten der heutigen Plattwespen vor der Eiablage schon in der Kreidezeit existiert hat. Zudem ist es ein Hinweis auf eine parasitische Lebensweise dieser fossilen Plattwespenart.

Insekten gibt es schon seit vermutlich mindestens 400 Millionen Jahren. Hautflügler, die die Gruppe der Stechimmen wie Wespen sowie Bienen, Hornissen und Ameisen einschließen, existieren seit ungefähr 250 Millionen Jahren. Die ältesten bekannten fossilen Vertreter der Plattwespen sind ca. 130 Millionen Jahre alt, welche ebenfalls in Bernstein gefunden wurden. Plattwespen sind näher mit den (eu-)sozialen, also vor allem staatenbildenden Hautflüglern wie Bienen, Hummeln und Ameisen verwandt, als die früheren, ausschließlich parasitischen Vertreter der Hautflügler. Eine parasitische Lebensweise ist sehr häufig bei heutigen Hautflüglern und wird als einer der Gründe betrachtet, weshalb Hautflügler heute so artenreich sind. Über die Evolution dieser Lebensweise innerhalb der Gruppe der Hautflügler ist bisher noch vieles unbekannt. Allerdings stellt das gefundene Bernstein-Stück den ältesten Nachweis einer Interaktion zwischen Plattwespe und Käferlarve dar und legt nahe, dass eine parasitische Lebensweise in den Hautflüglern schon früh in deren Evolution vorhanden war.

Weitere Informationen
Publikation: Kiesmüller C, Haug JT, Müller P, Hörnig MK (2022). A case of frozen behaviour: A flat wasp female with a beetle larva in its grasp in 100-million-year-old amber. Fossil Record 25(2): 287–305. https://doi.org/10.3897/fr.25.82469

AG Cytologie und Evolutionsbiologie (Universität Greifswald)
AG Haug – Zoomorphologie (Universität München)
Palaeo-Evo-Devo: Evolutionary Developmental Palaeobiology

Zu den Medienfotos

Ansprechpartnerin an der Universität Greifswald
Christine Kiesmüller, M. Sc.
Zoologisches Institut und Museum
AG Cytologie und Evolutionsbiologie
Soldmannstraße 23, 17489 Greifswald
christine.kiesmuellerpalaeo-evo-devoinfo
ResearchGate

 

Medieninformation


Zurück zu allen Meldungen