Die Depression gehört seit Jahren zu den häufigsten psychischen Störungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Während der Corona-Pandemie haben depressive Symptome bei Jugendlichen noch einmal zugenommen, wie mehrere Studien zeigen. Besorgniserregend ist, dass die Zahl der Klinikaufenthalte in den vergangenen Jahren besonders bei jungen Menschen stark zugenommen hat. Etwa 20 Prozent dieser Fälle lassen sich auf den sogenannten „Drehtüreffekt“ zurückführen, da die Patient*innen nach Klinikentlassung keine oder erst spät ambulante Nachsorgeangebote erhalten. Diese Rückfälle erzeugen hohe Gesundheitskosten und erhöhen das Risiko für einen ungünstigen Krankheitsverlauf wie eine Chronifizierung der Depression. Mit einer sofort anschließenden Nachsorge wären viele Rückfälle vermeidbar.
Hier setzt iCAN als ein niedrigschwelliges Angebot an: Unmittelbar am Ende des Klinikaufenthalts erhalten die Patient*innen eine benutzerfreundliche Therapie-App für das Smartphone. Der Clou dabei ist der eingebaute Chatbot. Dieser kann in engen Grenzen einen Dialog mit den Patient*innen führen und motivieren, die Therapiemodule abzuarbeiten/zu absolvieren. Zudem werden die Patient*innen von psychologischen Fachkräften per Video oder Telefon („E-Coach“) begleitet. Mit diesem Paket aus Chatbot-gestützter Therapie-App und E-Coach will iCAN zwei Ziele erreichen: (a) die bereits in der Klinik erreichten Therapieerfolge stabilisieren bzw. ausbauen und (b) die Patient*innen nach der Klinikentlassung gezielt und zeitnah an ein ambulantes Nachsorgeangebot anbinden.
Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier (Gesamtprojektleiterin)
„Ein Forschungsprojekt mit dieser ungewöhnlich hohen Fördersumme ist nicht nur für uns und die Universität Greifswald ein Gewinn, sondern kann die Versorgung von jungen Menschen mit Depression nachhaltig verbessern! Im Erfolgsfall könnte iCAN in der Regelversorgung flächendeckend eingesetzt werden, um den Übergang von stationärer Depressionsbehandlung in die ambulante Nachsorge bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen systematisch zu stärken. Damit könnte endlich der hohen Rehospitalisierungsrate begegnet werden, was sich langfristig positiv auf das Rückfallrisiko und auch die Gesundheitskosten auswirken wird. Ein Hoffnungsschimmer für diese Altersgruppe, die derzeit ja auch durch die Corona-Pandemie besonders psychisch belastet ist!“
Prof. Dr. Silke Schmidt vom Lehrstuhl Gesundheit und Prävention der Universität Greifswald (verantwortet die qualitative Evaluation)
„Bei diesem Antrag ist bemerkenswert, dass wir neun Krankenkassen und über 30 Kliniken aus acht Bundesländern inklusive MV als Forschungspartner gewinnen konnten, was die gesundheitspolitische Relevanz, Repräsentativität und Generalisierbarkeit dieses Projektes stärkt.“
Stefan Lüttke von der Universität Greifswald (Projektkoordinator)
„Die Wirksamkeit von iCAN wird in einer klinischen Studie untersucht, an der rund 400 Jugendliche und junge Erwachsene teilnehmen werden. Konkret fragen wir uns: Zeigen unsere jungen Patientinnen und Patienten, die zusätzlich zur Regelversorgung im iCAN-Programm sind, drei Monate nach Klinikentlassung weniger depressive Symptome als diejenigen, die in der Regelversorgung sind? Finden diese Patientinnen und Patienten schneller eine ambulante Anschlussbehandlung und können durch das iCAN-Programm Krankheitskosten gespart werden?“
Zum Team von iCAN gehört zudem Prof. Dr. Mathias Berking von der Universität Erlangen, der die quantitative Evaluation verantwortet.
Weitere Informationen
Webseite der Universität Greifswald: https://t1p.de/ican-greifswald
Weitere Informationen zur Arbeit des Innovationsausschusses, zu Förderbekanntmachungen und laufenden sowie abgeschlossenen Projekten finden Sie auf der Website des Innovationsausschusses.
Ansprechpartnerin an der Universität Greifswald
Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier
Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie
Direktorin des Zentrums für Psychologische Psychotherapie (ZPP)
Telefon +49 3834 420 3718
eva-lotta.brakemeieruni-greifswaldde