Mit SHIP-NEXT wird eine neue rein zufällig ausgewählte Bevölkerungsgruppe mit 4000 Probanden im Alter von 20 bis 79 Jahren gebildet. Es ist inzwischen die dritte Basisgruppe im Rahmen des SHIP-Projektes mit erneut mehreren Folgeuntersuchungen. Die Studie mit einem Fördervolumen in Höhe von 8,8 Millionen Euro hat eine Laufzeit von vier Jahren. Die Gesundheitsstudie SHIP ist ein epidemiologisches Forschungsvorhaben der Universitätsmedizin Greifswald unter Leitung von Prof. Dr. Henry Völzke vom Institut für Community Medicine. Für den Start der Untersuchungen wurde zur erhöhten Sicherheit aller Beteiligten coronabedingt ein eigenes Hygienekonzept entwickelt.
„Mit der neuen Stufe des SHIP-Projektes eröffnen wir eine neue Dimension in der Bevölkerungsforschung und betreten echtes Neuland. Wir integrieren nicht nur hochinnovative medizinische Untersuchungen und neue methodische Konzepte, sondernbinden erstmals in einer so umfassenden Gesundheitsinitiative auch die Haustiere der Menschen ein“, betonte Studienleiter Prof. Dr. Henry Völzke. „Darüber hinaus werden wir den Teilnehmern über das Untersuchungsprogramm hinaus Informationen über die Studie und aktuelle Entwicklungen dazu anbieten. Die Kommunikation miteinander und ein eigenes Probandenportal sollen die Akzeptanz für Forschungsstudien im Sinne einer Bürgerwissenschaft erhöhen.“
Im Fokus – Lebensbedingungen, Umwelt und Gesundheit
Das insgesamt bis zu zwölfstündige Untersuchungsprogramm setzt sich aus einem Kernprogramm und Zusatzuntersuchungen zusammen. Das Hauptprogramm umfasst die medizinischen Basisuntersuchungen, eine Fußdruckmessung, die Bestimmung von Körpermaßen im BodyScanner, mehrere Ultraschalluntersuchungen, die siebentägige Messung der Alltagsaktivitäten mittels GPS-Logger und Aktimeter, eine Schlafuntersuchung, eine Handuntersuchung, eine Ganganalyse und Augenuntersuchung, eine Messung der Blickbewegungen (Eye Tracking) sowie zahnärztliche Untersuchungen, eine Bewertung der Stimmqualität und eine Reihe von Laboruntersuchungen, inklusive einer Haar- und Nagelanalyse. Dazu kommen ein persönliches Interview, eine Befragung zu Kopfschmerzen und verschiedene thematische Fragebögen zum Selbstausfüllen. Auf dem Programm der Zusatzuntersuchungen steht ein Ganzkörper-MRT-Untersuchung sowie eine Aufnahme von der Hand, Untersuchungen der Herz-Kreislauf-Lungenleistung und der Gewebesteifigkeit, eine Lungenfunktionsuntersuchung, ein Fahrradbelastungstest, ein 3D-Herzultraschall, eine Pulswellenanalyse, eine bioelektrische Impedanzanalyse (BIA) zur Bestimmung der Körperzusammensetzung von Wasser, Fett und Muskelgewebe und spezielle Ultraschalluntersuchungen des Herzens und weiterer Organe.
Das bewährte Untersuchungsprogramm wird durch zahlreiche neue Checks ergänzt. Erstmalig wird unter anderem ein intraoraler 3D-Scanner eingesetzt, um den Ober- und Unterkiefer sowie deren Lage zueinander zu dokumentieren. Hierbei werden mit einer Intraoralkamera Aufnahmen von den beiden Zahnreihen gemacht. Neu dabei ist auch eine Messung von Blickbewegungen mit einer Eye-Tracking-Kamera. Diese soll Aufschluss über die Reaktion der Teilnehmer auf unterschiedlich emotionale Bilder geben. Weitere neue Untersuchungen sind die Ganganalyse, das Kopfschmerz-Interview, die Überwachung der Schlafaktivitäten sowie die Untersuchungen der Hände und Füße.
In die neue SHIP-Datenerhebung fließen auch Erkenntnisse der infektionsepidemiologischen Studie „SHIP-COVID“ ein, die im November 2020 mit 1000 Probanden gestartet worden ist. So werden beispielsweise Daten zur Verbreitung des Erregers sowie zur Symptomatik, eigenem Verhalten und Risikowahrnehmung erfasst. Aus den eingelagerten Blutproben von SHIP-NEXT lassen sich jederzeit Antikörperbestimmungen durchführen, um den Verlauf der Immunität gegen Corona zu untersuchen.
„Seitens der Universitätsmedizin Greifswald erhalten die Probanden neben einer umfangreichen Aufklärungsbroschüre zu den Untersuchungen und Maßnahmen des Datenschutzes auch ein Anschreiben für den Arbeitgeber mit der Bitte um Freistellung für die Studie sowie Unterstützerschreiben der Bildungs- und Gesundheitsministerien und des Landrates“, so Völzke. Die Fahrtkosten zum Greifswalder Untersuchungszentrum werden erstattet. Außerdem gibt es eine kleine Aufwandsentschädigung sowie einen coronakonformen Verpflegungsbeutel.
Zusatzmodul One Health bezieht die Haustiere mit ein
In SHIP-NEXT werden erstmalig auch Hunde, Katzen, Hühner, Enten, Gänse und Tauben sowie das Zusammenleben von Menschen und Tier untersucht. Der Gedanke von One Health („Eine Gesundheit“) ist, die Gesundheit von Menschen nicht isoliert, sondern zusammen mit der Gesundheit von Tieren und der Umwelt zu betrachten. Welchen Einfluss hat Tierhaltung auf die körperliche und seelische Gesundheit des Menschen und inwiefern hängt das von der Bindung zum Tier ab? Welchen Einfluss haben Haltungs- und Fütterungsbedingungen des Tieres sowie das Verhalten von Menschen und Tier auf das Übertragungsrisiko von Infektionskrankheiten (Zoonosen)? Welcher Informationsbedarf besteht zu Tierhaltung und Zoonosen? „Unser Ziel ist es, unter Nutzung der in SHIP erhobenen Daten konkrete Informationen über die Bedeutung von Tieren und deren Haltung für die Gesundheit von Menschen und Tier zur Verfügung zu stellen. Dadurch wollen wir unter anderem ein stärkeres Bewusstsein für einen gesunden Umgang mit Hunden, Katzen, Geflügel und Tauben im Privathaushalt schaffen“, erläuterte der Bevölkerungsforscher.
Dazu werden die Tiere der Probanden, soweit vorhanden, durch qualifizierte Tierärzte in ihrer häuslichen Umgebung untersucht. Zudem werden von den Tieren Abstriche und Blutproben entnommen. Dies erlaubt neben der Feststellung des allgemeinen Gesundheitszustandes einen labordiagnostischen Nachweis verschiedener Krankheitserreger, die auch eine Bedeutung für den Menschen haben können. Ergänzt werden diese Untersuchungen durch die Erhebung von Daten mit Hilfe von Fragebögen und einem Vor-Ort-Interview.
SHIP-Untersuchungen nur mit Einladung möglich
„Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer profitieren unmittelbar von der Studie, da sie die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen mitgeteilt bekommen. Die Ergebnisse von SHIP kommen jedoch allen Menschen zugute. Mit SHIP werden wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen, um Krankheiten zukünftig möglichst zu vermeiden oder frühzeitig erkennen zu können und deren Folgen zu lindern“, hob Völzke hervor.
„Die Auswahl unserer Probanden erfolgt ausschließlich zufällig über die Einwohnermeldeämter, damit wir repräsentative Aussagen für unsere Region treffen können. Es ist nur möglich, an dieser Studie teilzunehmen, wenn man eine persönliche Einladung dazu erhalten hat“, machte der Studienleiter deutlich. Die ersten Einladungsschreiben sind in dieser Woche versendet worden. „Sehr gute Erfahrungen haben wir in den vergangenen Jahren im Austausch mit den Probanden gemacht. Diesen direkten Dialog möchten wir künftig deutlich intensivieren. Wir müssen die Menschen mitnehmen, besser einbinden, es reicht nicht, sie nur zu untersuchen. Nur so können sie wirklich an dem Geschehen aktiv teilhaben.“
Finanzierung der Studie mit einem Fördervolumen von 8,8 Mio. Euro
Land Mecklenburg-Vorpommern, Universitätsmedizin Greifswald, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Gemeinsamer Bundesausschuss (GBA)-Innovationsfonds, Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung, EU – European Union's Horizon 2020 research and innovation programme
HINTERGRUND SHIP – Größtes Forschungsinstitut der Universität
Seit 1997 werden Erwachsene aus Vorpommern in der SHIP-Studie regelmäßig medizinisch und zahnmedizinisch untersucht, um den Zusammenhang zwischen Risikofaktoren und Krankheiten besser zu verstehen. Über die Jahre hat sich SHIP zu der Studie mit dem weltweit umfangreichsten Untersuchungsprogramm in einer großflächigen Region entwickelt. Die erste Basisgruppe (SHIP-START-0) von 1997ist bereits viermal intensiv untersucht worden (SHIP-START-0,-1,-2,-3). Die Folgeuntersuchungen finden jeweils ungefähr alle fünf Jahre statt.
Die zweite Basisgruppe aus dem Jahr 2008 (SHIP-TREND-0) wurde auch schon zum zweiten Mal untersucht (Trend-0-1). Nun startet die dritte Basisstudie (SHIP-NEXT-0).
Die Studienergebnisse haben viele grundlegende und komplexe medizinische Zusammenhänge aufgedeckt, so beispielsweise, dass Zahnfleischschwund das Herzinfarktrisiko erhöht, eine Leberverfettung das Diabetesrisiko fördert und eine Schilddrüsenfehlfunktion das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen erhöhen kann. Mittlerweile sind fast alle 21 Fachkliniken und 19 Institute der Universitätsmedizin in das SHIP-Untersuchungsprogramm eingebunden.
Darüber hinaus dient die Langzeitstudie zur Bestimmung wichtiger Referenzwerte für Laboranalysen, körperliche Belastbarkeit und Organgrößen. Mit modernen bioinformatischen Verfahren werden aus den umfangreichen Informationen relevante Gesundheitsindikatoren definiert. Der Bekanntheitsgrad der Studie mit vielen wissenschaftlichen Publikationen ist enorm, was auch an zahlreichen nationalen und internationalen Kooperationen liegt. So laufen unter anderem große Schwesternstudien in Brasilien mit 3000 und in Polen mit 5000 Teilnehmern.
Die Abteilung SHIP/Klinisch-Epidemiologische Forschung am Institut für Community Medicine führt mit mittlerweile 88 Mitarbeitenden (ohne Studierende) im Auftrag des Forschungsverbundes Community Medicine die SHIP-Datenerhebungen durch. Das Institut ist die größte Forschungseinheit der Universität Greifswald. Aus SHIP heraus haben sich weitere Schwerpunktprojekte für die Bevölkerungsforschung in Mecklenburg-Vorpommern entwickelt. Dazu zählen beispielsweise GANI_MED („SHIP in der Klinik“ – Greifswald Approach to Individualized Medicine), die Präventionsforschung am Greifswalder Standort des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) e. V. sowie die bundesweite Gesundheitsstudie NAKO.
Universitätsmedizin Greifswald
Institut für Community Medicine
Abteilung SHIP/Klinisch-Epidemiologische Forschung
Leiter: Prof. Dr. med. Henry Völzke
Walther-Rathenau-Straße 48, 17475 Greifswald
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