Die Gruppe der Ankylosaurier ist seit dem mittleren Jura bekannt. Ihr namensgebender Vertreter Ankylosaurus erlebte das Massensterben am Ende der Kreidezeit. Dinosaurier dieser Gruppe wurden bis zu acht Meter groß und ernährten sich von niedrigwachsender Vegetation. Ihre Körper glichen wandelnden Festungen. Einige ihrer Vertreter, wie die Ankylosauriden, besaßen eine Keule am Schwanzende; andere, wie die Nodosauriden, verteidigten sich mit langen Stacheln im Hals- und Schulterbereich. Letztere lebten scheinbar meist in küstennahen Gebieten und hatten einen kräftigeren Beißapparat als ihre nahen Verwandten, womöglich um härtere Pflanzen fressen zu können. Struthiosaurus austriacus ist ein relativ kleiner Nodosaurier aus der späten Kreidezeit. Er lebte also etwa vor 80 Millionen Jahren im heutigen Österreich.
Für ihre Studie haben Marco Schade von der Universität Greifswald, Cathrin Pfaff von der Universität Wien und ihre Kollegen mit einem hochauflösenden Computertomographen erstmals dreidimensionale, digitale Ausgüsse der Hohlräume des fossilen Schädels von Struthiosaurus austriacus erstellt. Die Hohlräume beherbergten einst das Gehirn und Innenohr des Sauriers und erlauben Rückschlüsse auf dessen Gehör und Gleichgewichtssinn sowie auf dessen Schädelhaltung. Sie geben damit wichtige Hinweise auf die Lebensweise des Tieres.
Das Gehirn von Struthiosaurus ähnelt jenem der meisten seiner Verwandten. So war der Flocculus des Tieres, ein evolutionär alter Teil des Kleinhirnes, vermutlich sehr klein. Der Flocculus ist in die Fixierung der Augen bei Bewegungsabläufen des Kopfes, Halses und gesamten Körpers involviert. „Während sich einige seiner Verwandten vermutlich mit ihren Schwanzkeulen verteidigten, verließ sich Struthiosaurus wohl eher auf seine ausgeprägte Panzerung.“ so Marco Schade vom Institut für Geographie und Geologie der Universität Greifswald. Der kleine Flocculus und die Form der Bogengänge des Innenohrs legen nahe, dass sich der Pflanzenfresser nur äußerst behäbig fortbewegte. Darüber hinaus hat er die bislang kürzeste bekannte Cochlea, die bei einem Dinosaurier gefunden wurde. Dieser Teil des Innenohrs hat bei Säugetieren die Form eines Schneckengehäuses und gibt Aufschluss über das Hörspektrum des Tieres. „Das Gehör des Tieres war offensichtlich nicht gut ausgeprägt und so kommunizierte Struthiosaurus, wenn nötig, mit Artgenossen auf andere Weise als über Lautäußerungen“, stellt Cathrin Pfaff vom Institut für Paläontologie der Universität Wien fest. Die gewonnenen Erkenntnisse geben Einblicke in die Entwicklungsgeschichte und vielfältige Lebensweise der Dinosaurier sowie in ihren Lebensraum.
Weitere Informationen
Institut für Geographie und Geologie der Universität Greifswald
Institut für Paläontologie der Universität Wien
Veröffentlichung
Schade, M., Stumpf, S., Kriwet, J., Kettler, C., Pfaff, C. 202X: „Neuroanatomy of the nodosaurid Struthiosaurus austriacus (Dinosauria: Thyreophora) supports potential ecological differentiations within Ankylosauria“, in: Scientific Reports. www.nature.com/articles/s41598-021-03599-9
Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Marco Schade
Institut für Geographie und Geologie
Friedrich-Ludwig-Jahn Straße 17 A, 17489 Greifswald
marco.schadestud.uni-greifswaldde
Ansprechpartnerin an der Universität Wien
Cathrin Pfaff
Institut für Paläontologie
Althanstraße 14, 1090 Wien, Österreich
cathrin.paffunivie.acat