Was haben eine antike Münze, eine Öllampe aus der Zeit Jesu sowie ein touristisches Moscheefoto gemeinsam? Während Forschende und Interessierte bisher lange rätselten und Parallelen übersahen, zeigt die neu entwickelte App „Tin Gustaf – Your Holy Land AI Pocket Museum“ mit wenigen Klicks umgehend Gemeinsamkeiten auf.
Die App beruht auf automatisch generierten, englischen Bildbeschreibungen zu Artefakten der Dalman-Sammlung. Dabei handelt es sich um Zeugnisse der Kulturlandschaft Palästina um 1900: von historischen Architektur- und Porträtfotografien über gepresste Pflanzen in einem Herbar bis zu Ackergerät und Musikinstrumenten. Beim Klick auf ein einzelnes Foto werden weitere Informationen wie Bildmotiv, Alter und Fotograf sichtbar, die in der Deutschen Digitalen Bibliothek hinterlegt wurden.
Ruft man in der App ein Artefakt auf, werden KI-Bildbeschreibungen angezeigt, die als Datensätze hinterlegt sind. Dafür arbeitet das System mit zwei KI-Modellen: Das erste Modell wandelt jedes Bild in Text um. Das zweite Modell „übersetzt“ diese Texte in Zahlen (sogenannte numerische Vektoren), um die Bilder in Gruppen einteilen zu können. Die Ergebnisse werden dann in der App spielerisch zusammengefasst. „Mit der Dalman-App können Sie unsere Sammlung in die Tasche stecken“, freut sich PD Dr. habil. Karin Berkemann, Kustodin der Dalman-Sammlung. „Jetzt haben wir endlich Bildbeschreibungen auch in englischer Sprache. Davon profitieren Nutzer*innen aus den USA, aus England, Israel und Palästina, die in unseren Beständen recherchieren.“
App zeigt Querbezüge auf
Die App macht es möglich, neue Querbezüge zu sehen. Wo Forscher*innen oft in ihrer eigenen Fachrichtung gefangen sind, erkennt die KI vorurteilslos Ähnlichkeiten: „Eine antike Münze, eine Öllampe aus der Zeit Jesu sowie ein touristisches Moscheefoto der 1960er Jahre finden sich dann in derselben Bildgruppe – weil sie dieselben Ornamente zeigen, die im KI-Text beschrieben werden,“ erklärt Dr. Philipp Adämmer im interdisziplinären Austausch mit Berkemann.
Da die App spielerisch einen raschen und einfachen Einstieg in Sammlungsbestände ermöglicht, lässt sie sich auch in der Lehre gut einsetzen. Zudem ist geplant, sie in der nächsten Ausstellung des Dalman-Instituts für eine breitere Zielgruppe, für eine kulturell interessierte Öffentlichkeit, zu nutzen. Damit kann die App als Anregung und Modell dienen, um andere Sammlungen digital zu erschließen.
Die App beruht auf Open-Source-Modellen. Neu ist, dass die App KI-Anwendungen zu Bild und Text miteinander verknüpft: „So erhalten die Nutzer*innen nicht nur eine einzelne Bildbeschreibung. Sie können die Bilder auch innerhalb von semantisch ähnlichen Bildgruppen betrachten“, erklärt Karin Berkemann.
Über die Dalman-Sammlung
Die KI wertet Bilddaten aus, die in den vergangenen 20 Jahren in der Digitalisierung des Dalman-Instituts gemeinsam mit der Greifswalder Kustodie erarbeitet wurden. Der Sammlungsgründer, der Theologe Gustaf Dalman (1855–1941), reiste 1899 zum ersten Mal nach Palästina. In den folgenden Jahrzehnten erforschte er die Lebensweise der Bäuer*innen und Beduin*innen. Er hielt mitunter fest, wie sie sich kleideten, ihre Zelte und Häuser bauten und Gastfreundschaft pflegen.
Die Dalman-Sammlung wird seit mehr als 100 Jahren an der Universität Greifswald erschlossen. Die Artefakte dienen der Forschung, Lehre und Vermittlungsarbeit. Sie umfasst historische Fotografien, Pflanzenproben, Beduinenkleidung, Ackergerät, antike Münzen, und Landkarten. Besonders wertvoll sind die rund 20 000 Fotografien, darunter Diapositive, Negative, Drucke, Papierabzüge und zahlreiche Luftaufnahmen der Zeit um 1900. Sie dokumentieren auf europaweit einmalige Weise die Kulturlandschaft Palästina vor dem Ersten Weltkrieg.
Weitere Informationen
https://dalman.nube.uni-greifswald.de/
Ansprechpartnerin an der Universität Greifswald
PD Dr. habil. Karin Berkemann
Kustodin der Gustaf-Dalman-Sammlung
Theologische Fakultät
Am Rubenowplatz 2-3, 17489 Greifswald
Telefon +49 3834 420 2546
berkemannkuni-greifswaldde