Aufgeklärt – Die lange, eisige Wanderung ausgestorbener Meeresreptilien nach Norddeutschland

Forschung
Beispielbild eines Plesiosauriers – langhalsige, räuberische Meeresreptilien aus der Zeit der Dinosaurier. Ihre Fossilien sind vermutlich mit Gletschern und Schmelzwasser nach Norddeutschland geraten.
Beispielbild eines Plesiosauriers – langhalsige, räuberische Meeresreptilien aus der Zeit der Dinosaurier. Ihre Fossilien sind vermutlich mit Gletschern und Schmelzwasser nach Norddeutschland geraten. © Illustration von Frederik Spindler, PALAEONAVIX
Fundorte der fossilen Plesiosaurier-Wirbel. Die blaue Linie zeigt den maximalen Vorstoß der Gletscher der letzten Kaltzeit vor etwas 23 000 Jahren.
Fundorte der fossilen Plesiosaurier-Wirbel. Die blaue Linie zeigt den maximalen Vorstoß der Gletscher der letzten Kaltzeit vor etwas 23 000 Jahren. © Schade et al. 2024

Jedes Jahr suchen Interessierte an den Stränden Mecklenburg-Vorpommerns und Schleswig-Holsteins nach Fossilien. Einigen dieser Sammler gelingen bedeutende Funde. Engagement und Sammlerglück von mehreren Privatsammlern waren auch für diese Untersuchung von zentraler Bedeutung. Es standen für die Studien mehrere Millionen Jahre alte Fossilien von langhalsigen Meeresreptilien aus der Zeit der Dinosaurier zur Verfügung. Lange bevor Wale und Haie die Spitzenprädatoren in den Weltmeeren waren, wurde diese Position von Meeresreptilien eingenommen, unter anderem von Plesiosauriern.

Die Fossilien von Wirbeltieren sind in Norddeutschland sehr selten; die Funde von Emausaurus ernsti aus der Nähe von Grimmen sind eine bemerkenswerte Ausnahme. Gesteinsschichten, in denen die Überreste lange ausgestorbener Tiere erhalten sind, treten gerade in Mecklenburg-Vorpommern kaum zutage. Noch vor ungefähr 23 000 Jahren waren u. a. weite Teile Skandinaviens, der Britischen Inseln und des Baltikums von kilometerdicken Gletschern bedeckt. Das gilt auch für die Gebiete des heutigen Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns. Als sogenannte „Geschiebe“ gelangten die fossilen Wirbel von Plesiosauriern während der letzten Kaltzeiten von Skandinavien nach Norddeutschland.

Das längst geschmolzene Eis hinterließ bei uns nicht nur Spuren wie Grund- und Endmoräne, Toteislöcher und Sander, sondern auch Fossilien aus viel älteren Gesteinsschichten Skandinaviens, zum Beispiel von der Südwestküste Bornholms. Mithilfe von MikroCT-Daten fanden die Forscher außerdem überraschend komplexe Kanäle und Kammern, in denen sich einst Nervenbahnen und Blutgefäße befanden, im Inneren der untersuchten Wirbel. Die gesammelten Informationen liefern nun Hinweise zur verwandtschaftlichen Zugehörigkeit der Wirbel, aber auch zu ihrer Position innerhalb der Wirbelsäule, dem Lebensalter und der Entwicklung dieser Tiere.

Durch die freundliche Unterstützung der Privatsammler konnten alle hierbei untersuchten Plesiosaurier-Wirbel in öffentliche Sammlungen bzw. Stiftungen überführt werden und bleiben so der Wissenschaft und Öffentlichkeit z. B. für weitere Studien erhalten.

Weitere Informationen
Schade, Marco, Deutschmann, André, Foth, Christian, Paetzel, Carina, Püttmann, Tobias, Kenzler, Michael, and Stumpf, Sebastian. 2024. The long and icy journey of Mesozoic marine reptile vertebrae from northern Germany, their provenance and internal structures. Palaeontologia Electronica, 27(2):a33.
https://palaeo-electronica.org/content/2024/5247-erratic-vertebrae

 

Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Marco Schade
Zoologisches Institut und Museum
Cytology and Evolutionary Biology
Soldmannstraße 23, 17489 Greifswald
marco.schadeuni-greifswaldde

 

Medieninformation


Zurück zu allen Meldungen