Die Aula der Universität Greifswald
Zur Geschichte der barocken Saalbibliothek
Die Aula befindet sich im 1750 fertig gestellten Hauptgebäude der Universität Greifswald. Finanziert durch Eigenmittel der Hochschule und konzipiert von dem Mathematikprofessor Andreas Mayer – sein Porträt sehen Sie vorn an der Nordwand – war es ein Lehrort aller vier Fakultäten unter einem Dach: Es gab hier neben Professorenwohnungen ein anatomisches Theater, Hörsäle, Räume für wissenschaftliche Sammlungen und einen Karzer. Kern des auf älteren Grundmauern errichteten Baus war die zweigeschossige Saalbibliothek. Stellen Sie sich die heutige Aula im Sonnenlicht mit ausladenden Lesetischen und übervollen Bücherrepositorien an den Wänden vor! Die Säulen, die Empore und der hölzerne Skulpturenschmuck – Arbeiten des Stralsunder Bildschnitzers Jakob Freese – sind heute in ihrem originalen Erscheinungsbild restauriert.
Kein barocker Lesesaal ohne Bildprogramm: Zwischen den doppelt gestellten ionischen Säulen mit gemalter Marmorierung bemerken Sie die zierlichen Hermen der neun Musen, also der antiken Schutzgöttinnen der Künste sowie der Götter Hermes, Minerva und Apollo. Die Putten über Ihnen auf der Balustrade sollen die vier Fakultäten (Medizin, Rechtswissenschaften, Philosophie und Theologie) verkörpern. Die bauchigen geschnitzten Vasen mit ihren grotesken Gesichtern auf den Henkeln dienten wahrscheinlich früher als ausladende Kerzenleuchter.
In preußischer Zeit sprengten die gestiegenen Studentenzahlen und noch mehr der erhebliche Zuwachs an wissenschaftlicher Literatur die Kapazitäten des kleinen Büchersaals. Die Universität bekam 1882 ein von Martin Gropius entworfenes modernes Bibliotheksgebäude, und fortan wurde der frei gewordene Raum mit einer Bestuhlung und Rednerpult als Aula genutzt.
Schauen Sie an die Decke: Schon im 18. Jahrhundert gab es einen Kronleuchter und eine Rokoko-Stukkierung. Die heutige Ausführung mit ausufernder Grisaille-Malerei stammt jedoch aus den 1950er Jahren. Eine bemerkenswerte Zutat des 20. Jahrhunderts ist auch der Rektorstuhl von 1906, der von dem Jugendstilkünstler Heinrich Vogeler als moderne Interpretation barocker Formen entworfen wurde.
Wandgestaltung und derzeitiger Bilderschmuck der Aula sind Resultate einer Grundsanierung, die anlässlich des 550-jährigen Jubiläums 2006 durchgeführt wurden. Verdunkelung, Schallschutz, Klimatisierung, Farbgestaltung und Restaurierung der Holzelemente wurden in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege, dem Architekturbüro und den beteiligten Betrieben realisiert. Hinter dem modernen Rednerpult sehen Sie die sogenannte Schwedengalerie. Anlässlich der Festveranstaltung 2006 war nämlich die schwedische Königin Ehrengast. Aus dem Gemäldefundus der Universität wählte man darum Porträts von Protagonisten aus der Zeit Schwedisch-Vorpommerns aus. Zentral sehen Sie das Großgemälde mit König Gustav III. von Schweden. An den Schallschutzwänden zwischen den Fensterachsen befinden sich Porträts verschiedener Gelehrter aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Die Bilder auf der Gegenseite im Eingangsbereich haben hingegen die Zeit der Universitätsgründung und die Herrschaft der pommerschen Herzöge zum Inhalt. Hervorzuheben ist die Kopie einer Stiftertafel aus dem Greifswalder Dom, die den Universitätsgründer und Bürgermeister Heinrich Rubenow im Kreis seiner Gelehrtenkollegen aus Rostock zeigt. Auf der anderen Seite der Tür fällt vor allem die wuchtige Epitaphplatte für den Herzog Ernst Ludwig auf. Als besonderer Förderer seiner Landesuniversität plante er den Renaissance-Vorgängerbau des Kollegiengebäudes, in dem Sie sich jetzt befinden.
Mit einer Kapazität von bis zu 200 Besuchern bietet bis heute die Aula den festlichen Rahmen für kleinere Festveranstaltungen wie Promotionsfeiern oder Kammerkonzerte. Darüber hinaus wird sie jährlich von einer Tausenderzahl Touristen besichtigt, nicht zuletzt aufgrund ihrer Bekanntheit durch den Roman „Die Aula“ von Hermann Kant (1965).