Botanischer Garten: Historische Gewächshäuser
Geschichte
Die Gründung des Botanischen Gartens geht auf das Jahr 1763 zurück. Damals wurde der Garten zwischen Collegiengebäude (heute Universitätshauptgebäude) und Stadtmauer von dem Magister Samuel Gustav Wilcke als „hortus medicus“ (Arzneipflanzengarten) angelegt. Der Pflanzenbestand hatte allerdings keinesfalls nur medizinischen Charakter. Deshalb erhielt er bereits ein Jahr später die Bezeichnung „hortus academicus“. Dies spiegelt auch die zunehmende Bedeutung der Botanik als eigenständige Wissenschaft wider.
Durch die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzende Bautätigkeit am ursprünglichen Standort wurde der Garten in seiner Funktionstüchtigkeit eingeengt. Prof. Julius Münter setzte sich dafür ein, den Garten zu verlagern. 1886 wurde auf einer zwei Hektar großen Fläche zwischen Soldmann- und Grimmer Straße eine neue Gartenanlage mit Gewächshauskomplex fertiggestellt. Dieser besteht im Wesentlichen aus Kalt-, Palmen- und Warmhaus. Die historischen Häuser entstanden zwei Jahre vor dem Eiffelturm, der wohl bekanntesten Konstruktion der Epoche der großen Stahlbauten, die mit dem Londoner Kristallpalast 1851 begann und durch die Erfindung des nietbaren Puddelstahls neuartige Konstruktionsmöglichkeiten bot. Sie bilden auch heute nach über 130 Jahren Nutzung den Kern für die gegenwärtig auf 14 Gewächshäuser mit 1333 Quadratmeter erweiterte Glasfläche, von der über die Hälfte den Besuchern zugänglich ist.
Sanierung
Als eine der wenigen erhaltenen Stahlkonstruktionen seiner Art wurde der Komplex seitens des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern als „Denkmal von nationaler Bedeutung“ eingestuft. Aufgrund fortgeschrittener Korrosion und statischer Unzulänglichkeiten werden die historischen Häuser gegenwärtig saniert. Die übrigen Glashäuser sind nur eingeschränkt zugänglich. Die geplanten Maßnahmen zur Restaurierung sehen eine in großen Teilen originalgetreue Rekonstruktion der Anlage vor. Wo immer möglich, sollen die Stahlträger restauriert und gegebenenfalls neu vernietet werden. Die extrem korrodierten Teile, die den Mauern unmittelbar aufliegen, werden durch angeschuhte Träger ersetzt. Das originale Erscheinungsbild der Fassade soll wiederhergestellt, die Heizung mit einer modernen Steuerung versehen werden.
Die Realisierung der Finanzierung war nicht einfach und hat sich mit vielen Höhen und Tiefen über einen längeren Zeitraum erstreckt. Mit der Mitte 2014 verfügten Schließung der historischen Gewächshäuser wogte eine Welle regionaler und überregionaler Anteilnahme nach Greifswald. Innerhalb von drei Monaten unterzeichneten über 7.000 Personen die Forderung zum „Erhalt der denkmalgeschützten Gewächshäuser von 1886 sowie der Pflanzensammlung des Botanischen Gartens Greifswald“.
Eine dank Engagement von Politikern aus Greifswald und Mecklenburg-Vorpommern erzielte Zuwendung von rund 1,4 Millionen Euro seitens der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien legte den wesentlichen Grundstein des auf knapp 4 Millionen Euro veranschlagten Finanzplans. Zahlreiche private Spender und Initiativen trugen mit ihren Aktivitäten zur Finanzierung bei (120.000 Euro). Eigenmittel der Universität (350.000 Euro) sowie eine Restfinanzierung seitens des Landes Mecklenburg-Vorpommern laut Zielvereinbarung mit der Universität Greifswald von über 2 Millionen Euro machten die Sache perfekt.
Schwerpunkt Tropisches Ökosystem
Nach der Sanierung wird der Schwerpunkt der Pflanzenkulturen auf tropischen Ökosystemen liegen mit folgenden Themen:
- Eindruck tropischer Regenwald, Epiphyten, Orchideen (Tropenhaus),
- tropische Großpflanzen, insbesondere Palmen, Bambus, Wildbanane (Palmenhaus)
- ursprüngliche Samenpflanzen, Farne (Palmfarnhaus)
Ohne diese Häuser ist ein Botanischer Garten kaum denkbar. Nur so wird die Vielgestaltigkeit der äquatorzentrierten Pflanzenwelt nachvollziehbar. Für viele dieser tropischen Pflanzen ist die Höhe und Größe der historischen Gewächshäuser unabdingbar, denn raumgreifendere Vertreter wie etwa Palmen, Wildbananen oder Palmfarne benötigen Platz zur vollen Entfaltung. Auch lassen sich Phänomene wie die Bedeutung epiphytischer Lebensweise nur mit einem Mindestraumangebot realisieren und nachvollziehbar machen. Im Zusammenspiel mit der historischen Gewächshauskonstruktion sind für Studierende, Schüler und Besucher in einzigartiger Weise wichtige ökologische Zusammenhänge, spezielle Anpassungen der Pflanzen an tropische Lebensräume sowie deren Einzigartigkeit und damit auch ihre Bedrohtheit im Hinblick auf globale Veränderungen erklärbar und erlebbar.