Seit den 1960er Jahren ist die Tongrube in Klein Lehmhagen nahe der vorpommerschen Kleinstadt Grimmen bekannt für ihre zahlreichen, teils großartig erhaltenen Fossilien: Auch der Dinosaurier der Universität Greifswald, Emausaurus ernsti, stammt aus dieser Fundstelle. Bis in die 1990er Jahre wurde in der Grube Ton abgebaut und zu Blähton gebrannt. Inzwischen ist die Grube mit Wasser vollgelaufen. Für Paläontolog*innen ist diese Grube besonders interessant, da hier unter anderem Sedimente aus dem frühen Jura (vor ungefähr 180 Millionen Jahren) aufgeschlossen, d. h. leicht zugänglich sind. Aus dieser Zeit sind aus Europa nur sehr wenige Dinosaurier bekannt. Mit Glück und Erfahrung können auch heute noch Überreste von ausgestorbenen Lebewesen aus der Tongrube geborgen werden. So geschehen 2017, als Jörg Ansorge einen neuen Dinosaurierüberrest fand.
Die Studie gibt Einblicke in die Evolution der Dinosaurier und ihrer Umwelt im Unterjura, einer Zeit, in der weite Teile Europas unter Wasser standen. Zu dieser Zeit fand ein wichtiger Teil der Entwicklungsgeschichte der vierbeinigen, gepanzerten und später oft bis an die Zähne bewaffneten Pflanzenfresser, der Gruppe der Thyreophora, statt. Im Laufe ihrer Evolution brachten diese Tiere riesige, bekannte Vertreter wie Stegosaurus und Ankylosaurus hervor.
Der kleine, gepanzerte Pflanzenfresser Emausaurusernsti stammt ebenfalls aus der Tongrube nahe Klein Lehmhagen und ist bisher der vollständigste ehemalige Landbewohner dieser Lokalität. Auch ein Langhalsdinosaurier, ein sogenannter Sauropode, konnte bereits nachgewiesen werden. Das neue, ungefähr 15 Zentimeter große Fossil wurde mit den Panzerplatten von Emausaurus und anderen möglichen Verwandten verglichen, wobei auch computertomographische Untersuchungen zur Analyse unsichtbarer, innerer Strukturen durchgeführt wurden.
Durch Vergleiche mit nahen Verwandten kamen die Forscher zu dem Schluss, dass es sich bei dem neuen Fund um eine ehemals vom Körper abstehende Panzerplatte handelt, die beim lebenden Tier vermutlich mit Keratin überzogen war – ähnlich wie die Hörner heutiger Kühe –, und am Hals- bzw. Schulterbereich eines relativ großen Vertreters saß.
Die vergleichenden Untersuchungen einer Panzerplatte von Emausaurus gaben außerdem Grund zu der Annahme, dass es sich trotz der relativ geringen Körpergröße des Tieres von ungefähr 2 Metern womöglich um ein beinahe ausgewachsenes Tier handelte. Darüber hinaus fanden die Forscher bisher unentdeckte Hohlräume in eben dieser Panzerplatte, welche vermutlich für die Blut- und Nährstoffversorgung des ehemals keratinösen Überzuges dienten. Trotz vieler Gemeinsamkeiten konnte die neue Panzerplatte aber nicht zweifelsfrei Emausaurus zugeordnet werden.
Weitere Informationen
Schade, M., Ansorge, J. New thyreophoran dinosaur material from the Early Jurassic of northeastern Germany. PalZ (2022). https://doi.org/10.1007/s12542-022-00605-x
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