DIG-IT!
Digitalisierung natürlicher Komplexität zur Lösung gesellschaftlich relevanter ökologischer Probleme
Das Landesexzellenzprogramm MV „Digitalisierung in der Forschung“ fördert das Konsortium „DIG-IT! Digitalisierung natürlicher Komplexität zur Lösung gesellschaftlich relevanter ökologischer Probleme“ unter Leitung von Prof. Martin Wilmking. Von Juli 2019 bis August 2022 stehen den Forschern 2 Mio Euro zur Verfügung, um einen methodischen Werkzeugkasten zu entwickeln, der ökologische Bild- und Audiodaten mit Hilfe von Machine-Learning-Techniken (deep convolutional neural networks) eigenständig erfassen und kategorisieren kann. Partner sind das Fraunhofer Institut für Grafische Datenverarbeitung Rostock (Prof. Uwe von Lukas), die Biomathematik (Prof. Mareike Fischer) und Arbeitsgruppen des Instituts für Botanik und Landschaftsökologie (Profs. Joosten, Kreyling, Wilmking) und des Zoologischen Instituts und Museum (Prof. Gerald Kerth).
DIG-IT! will die Chancen der Digitalisierung für die ökologischen Wissenschaften nutzbar machen. Dazu wird DIG-IT! drängenden ökologischen Fragen von hoher gesellschaftlicher Relevanz mit zukunftsweisendem Methodenarsenal begegnen und dabei digitalkompetente Ökologen und ökologisch versierte Biomathematiker und Informatiker qualifizieren. Der Fragenkatalog ist breit und umfasst Leistungsfunktionen und Stabilität von Ökosystemen unter Klima- und Landnutzungswandel, Artenschutz und innovatives Umweltmonitoring. Ziel ist ein „fachspezifischer Quantensprung“ durch die Entwicklung von universell anwendbaren Verfahren unter Verwendung selbst lernender Algorithmen („Deep Convolutional Neural Networks“), denn im digitalen Zeitalter liegt die Herausforderung nicht mehr in der Menge an verfügbaren Primärdaten, sondern in deren Auswertung. DIG-IT! verschränkt zu diesem Zweck die Entwicklerexpertise für die automatisierte Analyse von Bilddaten (Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung, Rostock und Biomathematik, Universität Greifswald) mit der Anwendung auf drängende ökologische Fragen (Botanik / Landschaftsökologie / Zoologie, Universität Greifswald).
Internetauftritt DIG-IT!
Auszug aus dem Votum der Jury:
„Das Vorhaben DIG-IT! möchte dringende ökologische Fragestellungen durch den Einsatz von digitalen Techniken angehen, wobei die Auswertung von Primärdaten eine besondere Herausforderung darstellt. (...) Die Jury ist von der wissenschaftlichen Exzellenz des Projektes überzeugt. Insbesondere beeindruckt die Idee, einen ökologischen Werkzeugkasten zu erarbeiten. Gewürdigt wird auch der Ansatz, an bereits bestehende exzellente Forschungsverbünde wie WETSCAPES und RESPONSE [DFG-Graduiertenkolleg „Biological RESPONSEs to Novel and Changing Environments“] anzudocken und deren Erkenntnisse vor allem auch für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zunutzen.“
Teilprojekte
Deep Learning
Das Teilprojekt des Fraunhofer IGD widmet sich der generalisierten Anwendung von Verfahren des Deep Learnings auf unterschiedlichste Bilddaten in der ökologischen Forschung. Diese intern stark strukturierte Ausprägung künstlicher neuronaler Netze dient der Realisierung des maschinellen Lernens von abstrakten Merkmalen im Bildraum. Durch die automatisierte Auswertung mit maschinellen Lernverfahren sollen die Effizienz signifikant gesteigert und die Ökologen in die Lage versetzt werden, mit deutlich umfangreicheren digitalen Bilddatenbeständen arbeiten zu können. Die Beispieldaten für die Erprobung der Verfahren werden von den im Projekt beteiligten Forschergruppen der Biologie zusammen mit der Beschreibung der zu extrahierenden Information bereitgestellt. Die große Bandbreite der untersuchten Daten im Projekt (von Pollen über Wurzeln bis zu Fledermäusen) soll die universelle Einsetzbarkeit der Verfahren sicherstellen. Im Mittelpunkt der Untersuchungen, die durch einen Doktoranden unterstützt werden, steht die automatische Detektion von vorab zu definierenden Objekten in einem Bild, wie sie beispielsweise beim Auszählen von Pollen innerhalb einer Mikroskopaufnahme erforderlich ist. Betrachtet werden soll darüber hinaus auch die daran anschließende automatische Segmentierung, die detektierte Objekte vom Hintergrund trennt. Ziel ist hier die Verfeinerung der Objektränder von umgebenden Rechtecken bis hin zu exakten Konturen. Damit können die detektierten Objekte isoliert an die menschlichen Experten oder nachgeschalteten Software-Tools weitergegeben werden. Aufgrund ihrer nachgewiesenen Eignung für die Auswertung von Bilddaten, konzentrieren sich die Forschungsaufgaben im Teilprojekt auf Deep Convolutional Neral Networks. Der Fokus der Methoden soll schrittweise von „Supervised“ über „Semi-Supervised“ zu „Unsupervised“ verschoben werden, so dass nur noch wenige bzw. gar keine durch den Menschen vorklassifizierte Daten für das Training verwendet werden. Zusätzlich soll untersucht werden, in welcher Form semantische Informationen (z. B. zur Topologie von Wurzelsystemen) genutzt werden können, um die Bildauswertung zu verbessern. Der gewählte Ansatz zielt auf die Effizienz beim Einsatz und erschließt neue Anwendungsfelder für die dann universell nutzbaren Verfahren.
Biomathematik
Mareike Fischer leitet das Teilprojekt „Biomathematik“, wobei sie durch einen Doktoranden und einen PostDoc unterstützt wird. Biomathematik spielt stets eine Vermittlerrolle zwischen der mathematischen Theorie und der biologischen Anwendung und liefert zudem das Werkzeug, Daten sinnvoll auszuwerten. Im Projekt DIG-IT! wird M. Fischer einerseits die Vermittlung zwischen den Machine-Learning-Theoretikern und den ökologischen Anwendern, anderseits die biomathematische Modellierung und statistische Auswertung übernehmen. Im Teilprojekt Wurzeln wird Wurzelwachstum graphentheoretisch zeitlich modelliert und der Frage nachgegangen, ob der Grad der Balance des Wurzelwachstums statistisch geeignet ist, um Rückschlüsse über die Nährstoffverteilung im Boden zu ziehen. Darüber hinaus soll für die anderen Daten (Fledermäuse, Holz und Pollen) geprüft werden, ob multidimensionale Daten die Deep-Learning-Verfahren unterstützen können, indem sie geeignete Prior-Annahmen liefern. Dies könnten DNA-Daten sein, deren Auswertung zu M. Fischers Kernkompetenzen gehört, Schallaufnahmen der Fledermäuse oder chemische Eigenschaften von Holz und Pollen. In all diesen Fällen geht es darum, dass mittels Machine Learning eine Klassifikation von Objekten nach Ähnlichkeit erfolgen soll (sogenanntes „Clustering“). Die DIG-IT! Deep Learning Verfahren können entweder von für den Menschen nicht ersichtlichen Details profitieren oder aber von zusätzlichen Informationen.
Projektkoordination + Holzanatomie
Martin Wilmking koordiniert DIG-IT! und leitet das Teilprojekt „Holzanatomie“. Ein Teil der Maßnahmen werden von einem Doktoranden in Zusammenarbeit mit den Partnern am Fraunhofer IGD und assoziierten Masterarbeiten durchgeführt. Der übergreifende PostDoc "Katalysator und Multiplikator" vernetzt alle Anwender innerhalb des Konsortiums (Katalysator) und stellt Expertise aus DIG-IT! externen Nutzern zur Verfügung (Mulitplikator). Weitere Maßnahmen finden auf Freilandflächen (z. B. Untersuchungsgebiete des Projekts „WETSCAPES“) und im dendro-ökologischen Labor der Arbeitsgruppe „DendroGreif“ statt. Dem Koordinator zugeordnet sind zwei technische Mitarbeiter, eine halbe Stelle zur Unterstützung der Koordination und eine volle Stelle zur Unterstützung aller Anwender bei der Datenakquise, digitalen Bildverarbeitung und beim Datenmanagement.
Wurzeln
Jürgen Kreyling leitet in DIG-IT! das Teilprojekt „Wurzeln“, im Rahmen dessen er die „Automatisierte Digitalisierung der Dynamik von pflanzlichen Wurzelsystemen“ koordiniert. Das Teilprojekt etabliert die automatische Erfassung verschiedener Wurzeleigenschaften (z. B. Länge, Durchmesser etc.) aus Minirhizotronscans unter vereinfachten Laborbedingungen bis zu komplexen Freilandbedingungen. Die Maßnahmen werden von einem Doktoranden in Zusammenarbeit mit den Partnern am Fraunhofer IGD und assoziierten Masterarbeiten durchgeführt. Ausgestattet mit einem Gewächshauskompartiment und bestehenden Untersuchungsflächen in Buchenwald und Niedermoor (Universitätsforst und NSG Karrendorfer Wiesen) können zeitlich hoch aufgelöste Rhizotronscans in der Arbeitsgruppe durchgeführt werden. Weiterhin stehen die Untersuchungsflächen im Projekt „WETSCAPES“ bereits zur Verfügung.
Automatisierte Erkennung von Arten/Individuen bei ausgewählten Tierarten
Gerald Kerth leitet in DIG-IT! das Teilprojekt „Automatisierte Erkennung von Arten/Individuen bei ausgewählten Tierarten“. Die Maßnahmen werden von einem Doktoranden in Zusammenarbeit mit den Partnern am Fraunhofer IGD und assoziierten Masterarbeiten durchgeführt. Die notwendigen Daten werden ausschließlich im Freiland, insbesondere an zehn verschiedenen Fledermaus-Winterquartieren in Mecklenburg-Vorpommern erhoben. Für die detaillierte Anwendung der etablierten Methoden zur digitalen Arterfassung, stehen die Untersuchungsgebiete in den von der Deutschen Bundestiftung Umwelt geförderten Projekten „FUN“ und „Lebendiger Untergrund“ bereits zur Verfügung.
Pollenerkennung
Hans Joosten leitet in DIG-IT! das Teilprojekt „Pollenerkennung“. Die Maßnahmen werden von einem Doktoranden in Zusammenarbeit mit den Partnern am Fraunhofer IGD, der Biomathematik (UG), assoziierten Masterarbeiten und überwiegend in den Laboren der Arbeitsgruppe Moorkunde und Paläoökologie durchgeführt. Die Ausstattung für alle Schritte (von der Bohrung über Probennahme und Aufbereitung bis hin zur Pollenanalyse) steht hier zur Verfügung. Für hochauflösende Aufnahmen können Mikroskope des Imaging-Centrums des Fachbereichs Biologie der Universität Greifswald genutzt werden. Für die Beprobung von Buchen während der Blüte wird das etablierte Transekt der AG Kreyling genutzt. Die Beprobung jahreszeitlich geschichteter Sedimente erfolgt in Kooperation mit dem Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam.
Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Prof. Martin Wilmking, Ph.D.
Universität Greifswald
Soldmannstraße 15
17489 Greifswald
Telefon +49 3834 420 4095
Telefax +49 3834 420 4114
wilmkinguni-greifswaldde
Lehrstuhl für Landschaftsökologie